Das andere China. Leben auf 3.300 Meter Höhe

Wir sind zurück. Nicht in Österreich, sondern in Chengdu. Eine Woche lang waren wir im abgelegenen Bergland Westchinas, wo wir mit einer Freundin deren Familie besucht haben.

Zuerst eine Stunde Flug in die Nachbarprovinz. Das ist natürlich noch nichts besonders. Doch dann: Vier Stunden mit dem Bus über steilste Bergstraßen, davon die erste Stunde über eine „Baustelle“. Während die neue Schnellstraße gebaut wird, läuft der Verkehr über halbmetertiefe Schlaglöcher und Matsch einfach weiter.

Wenn man endlich den Asphalt erreicht, warnen einen dort zahlreiche Schilder vor Steinschlag. Doch, anders als in Österreich, herrscht hier wirklich Steinschlaggefahr – die zahllosen Felsbrocken auf der Straße, meist ganz frisch, überzeugen einen davon sehr schnell. Geschichten von unserer Freundin, die dort nach Steinschlag einmal „einen Mann mit seinem Gehirn daneben“ gesehen hat, machen einen nicht gerade ruhiger.

Doch bisher war es noch harmlos. Oben in einer Bergstadt angekommen, übernachten wir einmal. Am nächsten Morgen kaufen wir am Markt Nahrungsmittel für die Familie unserer Freundin ein. Obst, Gemüse und ein lebendiges Huhn. In einem völlig untermotorisierten „Brot-Auto“ (die kleinen allgegenwärtigen Minivans, die aussehen wir ein Laib Brot) geht es nun hinauf in das Dorf unserer Freundin. Mehr als drei Stunden fahren wir über Stock und Stein. Wörtlich. Solche Straßen kennen wir sonst nicht einmal aus Griechenland. Die Fahrt hat alles was dazu gehört, inklusive Reifenplatzer und im Matsch stecken bleiben.

Die Straße existiert erst 3 Jahre. Davor konnte man nur durch einen acht Stunden Fußmarsch in das Dorf gelangen. Strom hat das Dorf seit genau einem Jahr, ebenso wie eine Handyverbindung.

Das Dorf hat seit einem Jahr Strom.

Wir kommen oben an, das Dorf liegt auf 3.300 Meter Seehöhe in einer herrlichen Berglandschaft. Es ist das dritte Mal in ihrem Leben, dass die Menschen hier oben Westler sehen. Sie sind Selbstversorger und kommen praktisch nie hinunter in die Stadt. Ohne Geld und Auto geht das auch kaum.

Die Familie unserer Freundin lebt, wie die etwa 70 anderen Dorfbewohner auch, von Buchweizen und Kartoffeln. Das Haus ist aus Lehm bzw. Holz und besteht aus drei Räumen. In der Mitte ist die Feuerstelle, auf der Seite die Schlafräume, die zugleich auch Lagerraum für die Kartoffelernte sind.

Fensterscheiben gibt es keine, auch wenn im Winter bis zu einem Meter Schnee liegen kann. Bis auf den Vater spricht hier niemand Mandarin. Die kleine Schwester unserer Freundin ging nur 2 Jahre zur Schule und lebt jetzt mit ihrem Cousin verheiratet in einem anderen Dorf.

Für das Mittagessen wird das bis dahin noch fröhliche Huhn, das wir mitgebracht haben, zerstückelt und (wörtlich) mit Kopf und Fuß in den Topf gesteckt. Die Eltern wollen, dass unsere Freundin kocht, denn sie haben Angst, dass wir Westler ihr Essen nicht mögen. Das Statusdenken ist hier noch extrem ausgeprägt. Die Großeltern mütterlicherseits waren noch Sklaven, die Familie wird von den anderen Dorfbewohnern daher bis heute als „untere Klasse“ betrachtet. Dass „wir Weiße“ die Familie besuchen, bringt der Familie Achtung in der Dorfgemeinschaft. Erschreckend, so etwas zu erleben.

Schlafzimmer und Kartoffellager in einem.

Es ist ein bewegendes Erlebnis, unsere Freundin bei ihr daheim in den Bergen zu erleben. Sie, die sonst am Computer schreibt und uns beim Handykauf geholfen hat, sitzt jetzt hier am Lehmboden und kocht über dem offenen Feuer. Und es bringt einem zum Nachdenken, mit wie wenig die Menschen hier oben zurecht kommen.

Zurück in Chengdu macht uns die Erfahrung wieder einmal deutlich, wie gewaltig die Gegensätze in China derzeit sind. Unsere Freundin bringt es auf den Punkt: „Es fühlt sich an wie in einem anderen Land, richtig?“

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