iPhone4

Ich fahre gerade mit meiner Frau und zwei Freunden von Sequoia Nationalpark in Californien nach San Francisco. Hungrig nach vier Tagen Backcountry Hiking ist uns alles egal: Wir gehen zu McDonalds… Doch nicht nur der BigMac zieht uns dorthin, sondern auch das gratis WLAN für mein iPhone. Nach mehreren Tagen offline kann ich meinen Status auf Google+ endlich wieder updaten. Ein weiterer Checkin erfolgt (natürlich) im Apple Store in San Francisco. Soweit, so normal.

Doch dann passiert etwas wirklich Cooles. Jeff, einer meiner besten amerikanischen Freunde, der in Texas lebt, sieht meine Postings. Eigentlich hatten wir gedacht, wir würden uns obwohl wir in den USA sind, nicht treffen können – Texas liegt doch etwas abseits meiner Route. Doch ohne dass wir voneinander wussten, hatte er spontan einen Urlaub im Yosemite Nationalpark gemacht, nur wenige Stunden weg von Sequoia. Und auf dem Weg nach San Francisco liest er mein Update aus dem Apple Store.

Da anrufen nicht funktioniert, sagt er mir sofort über Google+ und E-Mail Bescheid, dass er ebenfalls in der Stadt ist. Jedes Mal, wenn ich bei einem freien Hotspot vorbeikomme, versuche ich mit ihm in Kontakt zu treten und schließlich ist es soweit. Ich habe ihm einen Glympse geschickt, sodass er verfolgen kann wo ich bin. Er schreibt mir in welchem Hotel er ist, und auf Goolge Maps sehe ich, dass das gerade einmal 0.2 Meilen vom Starbucks, dessen WLAN ich nutze, entfernt ist. Wir laufen zum Hotel, der Rezeptionist ruft auf seinem Zimmer an und nur wenige Minuten später stehen wir uns gegenüber.

Ohne Google+ hätten wir keine Ahnung davon gehabt, dass wir uns in der selben Gegend befinden und ohne Location Based Services hätten wir nie gewusst, wie nahe wir uns tatsächlich sind. Hier wird das wirkliche Potential von Social Media gepaart mit LBS deutlich. Social Media at its best, könnte man sagen.

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Also entweder ist Steve Jobs genial oder unglaublich dumm. Ich will mir ein Urteil verkneifen, denn man muss abwarten wie es mit dem iPhone und Apple weiter geht. Doch ist es erstaunlich was sich Apple in Bezug auf PR und Marketing gerade leistet… Die große Frage ist, gelten für Apple eigene Mediengesetze? Kann eine derartige Kommunikationspolitik auch im Web 2.0 Zeitalter weiter funktionieren? Oder ist auch Apple verwundbar?

Apple scheint sich jedenfalls über die Regeln der modernen (Internet-)Medienwelt erhaben zu fühlen. Das iPhone „Antennagate“ (wie mir diese ewigneuen -gate Wortschöpfungen inzwischen schon auf die Nerven gehen!!) versuchte Jobs zuerst zu ignorieren.

Doch die Onlinediskussionen wurden immer heftiger und große Medien griffen das Thema auf. Apple hatte offenbar keine andere Idee als Forums-Diskussionen zu dem Thema auf der eigenen Website zu löschen. Eigentlich traurig, wenn man sieht, dass Unternehmen nichts aus den Social Media Fehlern anderer lernen. David Scott erzählt in seinem populären Web 2.0 Buch nämlich wunderbar wie zwei Unternehmen sehr unterschiedlich mit sozialen Netzwerken und ihren Nutzern umgingen – und das Unternehmen, das die Nutzer in den Foren ignorierte, einen hohen Preis zahlen musste.

Während Apple also lange nichts Vernünftiges von sich gab, war ich schon gerade dabei, einen Artikel mit dem Titel „Was tut Apple bloß“ (oder so ähnlich) zu schreiben. Doch plötzlich kam die Nachricht, Apple berufe kurzfristig eine Pressekonferenz ein. Wenigstens eine Pressekonferenz.

Doch diese war mehr als enttäuschend. Natürlich konnte man sich kaum erwarten, dass Jobs nun eine großangelegte Rückholaktion ankündigt. Doch nachdem man seine Kunden mehr oder weniger als Deppen hingestellt hat („Naja, haltet das iPhone halt einfach anders“) klingt die einfach dreimal wiederholte Beteuerung „We love our users“ mehr wie Sarkasmus als sonst etwas. Taten und Worte müssen eben übereinstimmen.

Auch der Versuch, das ganze Problem klein zu reden und dann ohne eine wirkliche Entschuldigung die Medien anzugreifen (wenn auch teilweise zu Recht!) ging nach hinten los. Die Gratis-Hüllen sind da eher ein peinliches Trostpflaster, das der Apple-Reputation wohl nur bedingt helfen wird.

Jobs wirft den Onlinemedien vor wegen einer guten Story zu übertreiben. Das mag zwar stimmen, doch scheinbar versteht er die Gesetze der Onlinemedienwelt wirklich nicht. Denn so ist es nun einmal. Jeder kann heutzutage Bloggen, Nutzer können ihren Unmut öffentlich kundtun und die Stimmung damit in Lichtgeschwindigkeit kippen. Nicht einmal Apple steht da drüber.

Dabei zeigt die Reaktion von Apple indirekt, wie mächtig das Internet mit seinen Blogs und anderen social media tools inzwischen ist. Bei seiner Pressekonferenz musste sich Jobs sogar auf den ungeliebten Techblog Gizmodo beziehen.

Der bekannte amerikanische Leadership-Experte Jim Collins warnt davor, dass der Anfang vom Ende eines großen Unternehmens „Hybris“ ist: Überheblichkeit und Selbstüberschätzung. Ein Unternehmen ist so erfolgreich, dass es sich auf seine eigene Größe und sein Können verlässt – sich unverwundbar fühlt.

Apple ist sicherlich die Firma mit einem der besten Images der Welt. Noch.

In TV-Shows wird seit der iPhone 4 Prototypaffäre aber schon davon gewitzelt, was denn mit Apple los sei: Bisher seien doch die von Microsoft die Bösen gewesen, die von Apple die Guten! Doch mit der Größe wächst auch die Zielscheibe die ein Unternehmen bildet. Und gerade dann sollte es sich eine Firma nicht leisten aufgebrachte Nutzer einfach als dumm dazustellen und die Medienrealität zu ignorieren.

Es ist völlig egal, ob die Kunden „schuld“ sind oder nicht. Natürlich hätte Apple das Recht zu sagen „Ihr habt euch dazu entschieden es zu kaufen, wir haben nie versprochen, dass es perfekt ist. Ist also euer Problem.“ ABER das ist völlig wurscht. Hier geht es um den Ruf von Apple. Müssen tut man gar nichts. Aber wenn man sich im heutigen heiß umkämpften Markt (auch langfristig) behaupten will, muss man seine Kunden auf Händen tragen und sie ernst nehmen, nicht als dumm hinstellen. Eine Strafe vom Gericht wäre für Apple das kleinste Problem. Viel schlimmer wäre eine andere Strafe: Ausbleibende Kunden.

ps.: Nachdem es derzeit so viele „Ich hasse Apple und muss deshalb das iPhone 4 Antennenproblem ausschlachten – Artikel“ gibt, sei hier erwähnt, dass ich selbst liebend gerne Apple-Produkte nutze. Gerade deshalb ist es ja so traurig, wenn sich eine Firma die großartige Produkte herstellt so verhält.

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