Lieber Handel: Wach endlich auf, wenn dir dein Leben lieb ist!

Eine Story und 5 Tipps, wie der klassische Handel Multichannel endlich WIRKLICH leben muss. 

Der klassicher Handel kämpft immer verzweifelter gegen Amazon & Co, das ist bekannt. Die WKO startet nun sogar eine eigene Werbekampagne zum Thema: #kauftwirdzhaus  Dass diese erfolgreich sein wird, darf leider bezweifelt werden.

Denn nur an den patriotischen Geist der Konsumenten zu appellieren wird wohl zu wenig sein. Es braucht einen klaren Mehrwert für den Konsumenten. Und den bietet der klassische Handel leider noch immer nicht.

Es ist traurig. Ich mag Amazon nicht einmal. Trotzdem kaufe ich dort mittlerweile wohl mehr ein als bei irgendeinem anderen Shop. Und ich befürchte, vielen anderen geht es nicht anders.
Warum? Nein, nicht in erster Linie weil es so bequem ist, dass man nicht aus dem Haus gehen muss. Es liegt viel mehr daran, dass der klassische Handel noch immer seine einzige Chance nicht richtig nutzt: Das Wort heißt (auch noch immer) Multichannel. Also das Ansprechen der Kunden auf verschiedenen Kanälen, Offline und Online.

Ja der Offline Handel hat grundsätzlich erkannt, dass Multichannel das Zauberwort ist, nur leider ist er WELTEN davon entfernt, hier auch wirklich sinnvolles zu bieten. Das was aktuell geboten wird, ist eher abschrecken als einladend.

Hier eine kürzlich selbst erlebte Story als Beispiel dazu und danach die Learnings die ich dem Handel empfehlen würde.

multichannel symbols

Meine Story:

Wir sind gerade umgezogen, haben zwei kleine Kinder und nun ist es soweit: Wir sind in der Lebensphase angekommen, in der wir einen Wäschetrocker kaufen wollen…
Was mache ich also? Klar, googeln. Auf Amazon browsen. Sich mal einen ersten Eindruck verschaffen, was es überhaupt für Preisklassen gibt usw.

Schnell merke ich, da gibt es viel mehr Unterschiede als ich dachte: Klassische Wäschetrockner, Kondenstrockner, Wärmepumpentrockner, und und und. Und fraglich ist, welcher Website und welcher Meinung kann man vertrauen? Also: Ich muss in einen Elektrofachhandel und mich beraten lassen.

Fail #1: Als ich in die Weißwarenabteilung eines großen Elektromarkts gehe, finde ich nach längerem Suchen eine Mitarbeiterin. Von mir angesprochen schnauzt sie mich an: „Sehen Sie nicht, dass ich gerade einen anderen Kunden habe?“ Auf meine vorsichtige Frage, ob es denn nicht vielleicht einen weiteren Mitarbeiter gäbe: „Nein, ich bin alleine hier!“

Echt jetzt? EIN Mitarbeiter für die gesamte Weißwarenabteilung? Wenn also zwei Kunden gleichzeitig da sind, muss einer davon 20 Minuten warten, bis die üblicherweise in dem Bereich beratungsintensiven, langen Gespräche beendet sind?

Fail #2: Ich drehe also genervt um, gehe nach Hause und setze mich wieder vor den Computer. Nachdem ich ein Gerät brauche, das weniger tief ist als die üblichen, ist die Auswahl etwas eingeschränkt. Aber nach einigem Suchen finde ich das Gerät, von dem ich denke, dass es passt. Und zwar im Online-Shop eines in Österreich weit verbreiteten klassischen Elektromarkts.

Ich denke alles ist gut. Doch als ich schlussendlich beim Checkout bin stellt sich heraus, dass das Gerät NICHT IM MARKT abholbar ist (was gratis wäre). Online bestellen und liefern lassen bedeutet hingegen saftige Lieferkosten. Das steht aber nicht von Anfang an dabei sondern erst im allerletzten Schritt, wenn man schon bezahlen will…

Fail #3: Ich rufe also bei der im Online Shop angegebenen Service Hotline an, um andere Möglichkeiten herauszufinden.
Als ich anrufe, sagt mir die Person, sie kann dazu nichts sagen, weil es dabei um den Bereich des Online Teams geht. Die Nummer war aber AUF DER ONLINE SHOP SEITE als SERVICE NUMMER ANGEGEBEN.

Fail #4: Dann heißt es, es ruft mich ein Verkäufer aus dem Markt an, der kennt sich aus und kann mir sagen, ob das Gerät das gewünschte Feature hat und ob ich es einfach auch vor Ort „offline“ bekommen kann.
Schlussendlich ruft mich wirklich ein Verkäufer an, hat aber keine Ahnung um was es eigentlich geht (mittlereweile habe ich das gleiche Anliegen drei verschiedenen Mitarbeitern erklären müssen) und meint zu der gewünschten Marke könne er ohnehin nicht viel sagen, da kenne er sich nicht aus.

Fail #5: Schlussendlich bekomme ich von ihm die Information, dass man das gewünschte Gerät im Markt zum gleichen Preis bekommt. Das stellt sich wenig später aber als Falschinformation heraus – es ist ein „Online Only“ Angebot…

Fail #6: Ich bestelle also schlussendlich ein anderes Gerät bei einem anderen Händler. Zum Abholen vom Gerät im Markt muss ich zum allgemeinen Kundenservice-Point, der natürlich hoffnungslos überlaufen ist und an dem Tag auch noch als Ersatzkasse genutzt wird. Die Wartezeit kann man sich also ungefähr vorstellen.

Fail #7: Die einzige Frage die ich noch habe stelle ich der zuständigen (wieder einzigen) Verkäuferin der Weißwarenabteilung. Doch sie kann die Frage nicht beantworten und empfiehlt mir dazu in den Baumarkt zu gehen! #ironie*

*Gerade von Baumärkte sind ja allgemein bekannt für ihre großartig geschulten Mitarbeiter und das herausragende Service #not

Learnings: Was sollte der klassische Handel tun

Multichannel ist zwar ein wunderschönes Buzzwort das seit einigen Jahren im Handel an allen Ecken zu hören ist. Doch nur wenn Multichannel auch wirklich seinem Anspruch gerecht wird, werden die Kunden kommen und bleiben. Das braucht es dazu:

  1. Top Service. Und wenn ich sage Top Service, dann meine ich wirklich wirklich wirklich gutes Service. Das muss einfach passen.
    Vor allem braucht es genügend Mitarbeiter. Ja, das ist teuer, aber es ist eure einzige Chance eure Kunden zufrieden zu machen und ihnen einen Grund zu geben, warum sie zu EUCH kommen sollten. Bitte schult eure Mitarbeiter! Ein unmotivierter Hilfsarbeiter, der mir nicht mal sagen kann in welchem Gang ich was bekomme ist nicht das was ich meine.
  2. Konsistente Verfügbarkeit der Waren. Es darf hier keinen Gap zwischen Online und Offline geben, sonst führt das zu Frustration beim Kunden und schlussendlich zum Absprung.
  3. Lieferkosten.Die Idee, sich Lieferkosten zu sparen, wenn man im Markt abholt ist nicht blöd. Dazu wären wir Kunden bereit. Dann muss aber der Checkout Prozess, vor allem die Bezahlung und Abholung im Markt, wie geschmiert laufen. Es braucht eigene Schalter dafür und geschultes Personal.
    Zugleich hört bitte auf damit, online absurd hohe Lieferkosten zu verlangen und ewige Lieferzeiten anuzubieten. Damit werdet ihr gegen Amazon fix abloosen. Es darf zumindest eine gewisse Schmerzgrenze nicht überschreiten.
  4. Alle Zahlungsmittel. Lasst uns Kunden mit allen gewohnten Zahlungsmitteln bezahlen. Beim Kauf unseres Kinderspielturms auf einem österreichischen Online Shop stellte sich beim Checkout heraus, dass für Kreditkartenzahlung 1,5% Zusatzkosten entstehen. Nur mit Vorauskasse oder PayPal gab es keinen Aufschlag. Das ist wieder ein mega Fail gegenüber Amazon.
  5. Friktionsloses Shopping-Erlebnis. Das ist der für mich wichtigste Punkt. Ich darf als Kunde keinen Unterschied merken, ob ich im Markt mit Verkäufer spreche oder mit der Hotline. Ihr müsst euch als EIN Team sehen, als ein Unternehmen, nicht als unterschiedliche Departments. Ich weiß, das ist leichter gesagt als getan in einem großen Unternehmen das historisch gewachsen ist. Trotzdem müsst ihr alles daran setzen.Was hier auch dazu gehört: Es darf keine unterschiedlichen Angebote Online vs Offline geben (und schon gar keine, die nicht deutlich gekennzeichnet sind). Vergesst diesen „Online Only Angebote“ Müll.

Trackt den gesamten Einkaufsprozess eurer Kunden und bietet ihm ein tolles Einkaufserlebnis, das sein Leben leichter macht, dann wird er immer wieder gerne auch ein paar Euro mehr zahlen als bei Amazon & Co.

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