Fake News: Wer definiert nun die Wahrheit?

Copyright Flickr Evgeny BelikovWarum nicht Facebook & Co für uns definieren dürfen was wahr ist.

Kein Tag vergeht, an dem in den Medien nicht über „Fake News“ gesprochen wird. Der Anglizismus des Jahres 2016 ist mehr denn je in aller Munde. Ganz unabhängig von den berühmten „alternativen Fakten“ von Trumps Beraterin Kellyanne Conway, sind Fake News tatsächlich ein breites Problem in unserer digitalen Gesellschaft geworden, darüber sind sich die meisten Medienexperten einig.

Doch vielleicht gibt es noch ein größeres Problem als Fake News selbst: Der sich nun abzeichnende Umgang damit.

Der Kampf gegen Fake News

Facebook hat bekanntlich – auch durch großen Druck nach der letzten US Wahl – damit begonnen, „Fake News“ zu kennzeichnen. Google macht das schon länger und erweitert die Kennzeichnung nun laufend.

Was auf den ersten Blick wie ein guter Schritt dahin aussieht, Betrug und Populismus einzudämmen, ist allerdings höchst problematisch. Denn: Wer entscheidet nun darüber, was wahr ist? Google? Facebook? Nein, offiziell tun sie das nicht selbst.
Zum einen lagern sie den Faktencheck an bestimmte Organisationen aus, die sich darauf spezialisiert haben. Zum anderen setzen sie auf Künstliche Intelligenz.

Wer sind die Faktenchecker?

Die erste Variante, die Auslagerung der Wahrheitsfindung an Faktencheck-Organisationen, hat vor allem ein Problem: Auf einmal definieren gesichtslose Organisationen aus dem Hintergrund für uns die Welt. Anders als etablierte Medien stehen sie nicht in der Öffentlichkeit und müssen sich daher auch nicht in der selben Weise rechtfertigen.

Man muss sich das eigentlich auf der Zunge zergehen lassen: Wir sind uns nicht einmal bewusst, wer für Facebook & Co – und damit schlussendlich für uns – die Wahrheit definiert. Denn welcher Otto Normalverbraucher kennt schon Snopes, Politifact, oder Correctiv (letzteres wird etwa von Facebook in Deutschland genutzt)? Oder die Österreichische Version Mimikama?

Ich will keiner dieser Organisationen böse Absichten unterstellen. Aber wer von uns weiß schon, wer hinter diesen Unternehmen steht? Oder ob sie zum Beispiel politisch links oder rechts einzuordnen sind?

Ein Guardian, Spiegel, eine Le Monde, oder die Salzburger Nachrichten müssen sich um ihren Ruf sorgen. Selbst eine Kronenzeitung muss sich gegenüber der Gesellschaft in gewisser Weise verantworten. Bei etablierten Medien weiß man zumindest, welche grundsätzliche Ausrichtung sie haben, sodass man Aussagen entsprechend einordnen und gegebenenfalls mit Vorsicht genießen kann.

Im Vergleich dazu wissen wir über die neuen „Gatekeeper“ praktisch nichts. Auch wenn die traditionellen Medien ihre Gatekeeper-Funktion sicher oft nicht perfekt ausüben, so sind sie sicher um Welten transparenter.

Und noch eins: In der Vergangenheit gab es den Anspruch gar nicht, dass in Medien immer alles wahr ist. Den meisten Menschen ist bewusst, dass Medien auch ihren „Bias“, also ihre Schlagseite, haben. Die Fakten Check Ansätze von Facebook & Co gaukeln den Bürgern nun aber vor, dass es möglich sei, komplett objektiv zu sein – eine äußerst gefährliche Illusion. Es ist klar: Jedes Faktencheck-Untermehmen ist auch nur eine subjektive Organisation, die ihre Weltsicht unweigerlich einbringt.

Vertrauen auf die Künstliche Intelligenz?

Sollen wir also lieber auf AI setzen, auf Artificial Intelligence? Wenn es nach Zuckerberg & Co geht, der für Facebook eine größere Rolle in der Gesellschaft anstrebt, ja. Doch wie fehlerhaft diese Algorithmen sein können, zeigen nicht zuletzt die Probleme mit Google Snippets, in denen immer wieder ganz eindeutig falsche Informationen als Fakten anzeigt werden.

Wobei ohnehin die Frage ist: Wollen wir Menschen wirklich, dass Künstliche Intelligenz darüber entscheidet, was wir lesen, hören, konsumieren? Jeder weiß: Wissen ist Macht. Die Definition von Wahrheit an Maschinen abzugeben bedeutet schlussendlich – konsequent zu Ende gedacht – nichts anderes, als sie über uns herrschen zu lassen. Um das zu erkennen, muss man kein Technologie-Pessimist sein.

Wohin könnte die aktuelle Entwicklung führen?

Das Internet ist angetreten, um die Welt zu demokratisieren. Nicht zuletzt Social Media brachte die Hoffnung mit sich, die Macht aus der Hand einiger weniger Medien und Eliten zu nehmen und auf eine unbegrenzte Anzahl an Schultern zu verteilen. Das Internet galt als Garant für Meinungsfreiheit. Doch wohin könnte die aktuelle Entwicklung führen? Paradoxerweise zum Gegenteil.

Sehen wir uns zwei Beispiele an.

Klimawandel
Manche Themen sind schwer zu differenzieren, siehe Beispiel Klimawandel. Ich selbst bin überzeugt, dass der Klimawandel real und vom Menschen verursacht ist.
Wenngleich die Mehrheitsmeinung in unseren Breiten klar ist, gibt es auch Menschen, die andere Ansichten vertreten. Sollen wir diese andere Seite nicht mehr zu Wort kommen lassen und deren Postings einfach als unwahr markieren? Die Gefahr und Versuchung hier mit der „Fake News“ Keule zu kommen und unerwünschte Meinungen nicht mehr vorkommen zu lassen, ist groß.

Intelligent Design
Es gibt eine große Anzahl an hoch angesehenen Wissenschaftlern, die Intelligent Design als Alternative zur Evolutionstheorie vertreten. Die Mehrheitsmeinung in Europa sieht diese Sichtweise bekanntlich äußerst skeptisch. Was würde nun passieren, wenn ich zukünftig ein Posting absetze, dass ich von der Schöpfungstheorie überzeugt bin? Wird das in Zukunft als „Fake News“ gekennzeichnet oder gar gelöscht? Hier steht ganz klar die Meinungsfreiheit auf dem Spiel.
Schlussendlich würden wir wieder im 17. Jahrhundert landen, in der so viele Menschen aus Europa auswanderten, weil sie genau davor fliehen wollten: Vor Unterdrückung ihrer Religions- und Meinungsfreiheit.

Fazit

Wir dürfen Meinungsfreiheit nicht am Altar des Fake News Abwehrkampfes opfern. Ich will, dass mein Gegenüber mir widersprechen kann. Das ist eines der höchsten Güter der Demokratie. Ohne hier schwarzmalen zu wollen, sieht man nicht zuletzt an der Hate Speech Debatte in Deutschland, dass Meinungsfreiheit aktuell tatsächlich unter Beschuss gerät.

Keine Frage, grundsätzlich haben die Initiativen gegen Fake News eine gute Intention. Es geht darum, vor allem gegen bewusst falsch gestreute Gerüchte vorzugehen und gegen Populismus, der der Gesellschaft schadet. Und gegen Fake News, die von kriminellen Organisationen, ähnlich wie Spam, genutzt werden um Geld auf krummen Wegen zu verdienen.

Aber wo ist die Grenze? Und wer definiert sie? Eine einfache Lösung gibt es zugegebenermaßen nicht. Doch wäre es ganz sicher besser, mündige Bürger zu erziehen, die kritisch mit allen Arten von News umgehen, als ihnen Objektivität vorzugaukeln und ihnen vorzuschreiben, was wahr ist.
Oder wie es ein guter Artikel dazu auf orf.at formuliert: Das beste Mittel gegen „Fake News“ sind mündige und mit genügend Medienkompetenz ausgestattete Rezipienten.

Wir müssen also beim User ansetzen, anstatt unsere Verantwortung an Facebook & Co abzugeben.
Wir müssen uns dagegen wehren, so zu tun, als ob Dinge immer so leicht in Richtig und Falsch einzuordnen wären.
Wir brauchen ein Internet, das weiterhin seinen Anspruch erfüllt, Diversität zu fördern. Wir brauchen qualitativen Journalismus, der nicht nur auf Quoten schaut.
Wir brauchen Eltern und Schulen, die jungen Menschen Medienkompetenz beibringen.
Wir brauchen Mut, uns der Komplexität der Welt zu stellen.

Wir dürfen unsere Meinungsfreiheit nicht aufs Spiel setzen.

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