Gedanken aus der Quarantäne: 3 Dinge, die wir schon jetzt aus Corona lernen können

Was mir nach einer Woche Corona-Quarantäne wichtig geworden ist.

Seit einer Woche dreht sich bei mir alles um Corona. Bis dahin gehörte ich zur Fraktion „Das ist doch alles ganz weit weg, jetzt macht doch alle mal halblang.“ Und plötzlich ist man mittendrin. Wobei das noch lange nicht heißt, dass ich zur Paniktruppe gewechselt bin. 

Aber wenn man selbst alleine unter Quarantäne steht, seine Frau und drei kleinen Kinder über zwei Wochen nicht sehen darf und sich gleichzeitig täglich damit beschäftigen muss, weil man die Krisenkommunikation dazu für ein Großevent verantwortet, dann macht das natürlich etwas mit einem.

Zum Hintergrund: Der Willow Leitungskongress mit über 10.000 Teilnehmern in Karlsruhe, für dessen Öffentlichkeitsarbeit ich zuständig war und bin, musste wegen dem Virus vorsorglich abgebrochen werden. Denn bei einem Speakers Dinner vor dem Kongress war ein Redner dabei, der später Corona-positiv getestet wurde. Nachdem ich ebenfalls bei diesem Dinner war, wurde ich wie die anderen rund 20 Personen unter Quarantäne gestellt

Auch wenn ich trotz „Einzelhaft“ gerade kaum zur Ruhe komme, sind mir drei Dinge wichtig geworden, von denen ich glaube, dass wir sie bereits jetzt aus der Corona Krise lernen können: 

Wir brauchen mehr GELASSENHEIT. Und GNADE.

Corona betrifft mittlerweile praktisch jeden, zumindest indirekt. Diese Relevanz macht das Thema natürlich zum gefundenen Fressen der Medienmaschinerie. Der für mich persönliche Tiefpunkt: Ein sensationslüsternes Regionalblatt in Mecklenburg-Vorpommern, das einen der Redner, der wie ich unter Quarantäne steht und der nun Corona-positiv getestet wurde, „outet“.

Natürlich gibt es solche und solche Medien. Auch in meinem Umfeld, das von meiner Situation mitbekommt, wird sehr unterschiedlich damit umgegangen. Von „ach, das ganze Thema ist ja total übertrieben“ bis hin zu „rette sich wer kann“ ist alles dabei. 

Aus meiner Sicht brauchen wir neben mehr Gelassenheit, wie sie glücklicherweise von vielen Seiten aktuell gefordert wird, auch mehr Gnade. Ja, wir müssen Panikmache vermeiden. Aber wir müssen uns auch hüten, Mitmenschen und Organisationen, die vorsichtig agieren, zu verurteilen. 

Wenn man sich selbst in einer Entscheidungsfunktion befindet, wie ich letzte Woche bei diesem Kongress, weiß man, wie unheimlich komplex die Situation gerade ist und was man alles berücksichtigen muss. Neben der überwältigenden Mehrheit an verständnisvollen und unterstützenden Rückmeldungen über den vorzeitigen Abbruch, gab es auch Einzelstimmen, die diesen als „Panikmache“ kritisierten. Doch bin ich heute überzeugter denn je davon, dass das vorzeitige Beenden das einzig Richtige war. Wir müssen auf besorgte Mitbürger Rücksicht nehmen und proaktiv mit dem Thema umgehen. Wäre nicht abgebrochen worden, hätten uns im Nachhinein Teilnehmer und  Medien zu Recht vorgeworfen, die Gesundheit und Sicherheit von Menschen aufs Spiel gesetzt zu haben.

Man muss respektieren, jeder erlebt Corona anders. Keiner weiß aktuell, was es noch für Auswirkungen haben wird. Ist es von einem Tag auf den anderen gefühlt wieder vorbei, so wie es bei SARS der Fall war? Oder wird es uns noch lange intensiver beschäftigen? 

Wir sollten jedenfalls selbst gelassen sein, und gleichzeitig Gnade mit den Menschen um uns herum haben, die nicht so gelassen sein können. Ganz besonders sollten wir gnädig sein mit den Entscheidungsträgern von Organisationen, Gesundheitsämtern und Regierungen. Ja, ich hatte auch schon meine schrägen Erlebnisse mit den Behörden was Corona betrifft. Aber wir müssen sehen: Sie sind mit einer für alle neuartigen Situation konfrontiert und tun in der Regel ihr Bestes zum Dienste der Allgemeinheit. 

Wir brauchen mehr WIR.  

Allgemeinheit ist das Stichwort für den zweiten Punkt: Wir brauchen mehr Wir. Gerade erleben wir, wie unglaublich abhängig wir voneinander sind. Wie verzahnt unsere Gesellschaft über alle Kontinente hinweg ist. Wie Lieferketten voneinander abhängen. Was es bedeutet, wenn plötzlich Krankenhäuser schließen müssen. 

Ein Kommentar in den Salzburger Nachrichten brachte es gut auf den Punkt: Wir erleben gerade, was passiert, wenn auf einmal „Corona-Sand“ in unser globales Getriebe kommt. 

Plötzlich wird einem klar: So ganz unabhängig bin ich nicht. Freiheit des Einzelnen kann sich immer nur in einer gewissen Abhängigkeit von anderen abspielen. Der Individualismus unserer Gesellschaft stößt plötzlich an seine Grenzen. 

Nun bin ich wirklich kein Kommunist und bin froh über die Individualität in unserer westlichen Gesellschaft. Doch zeigt sich in einer Situation wie dieser auch, dass ein positiver Individualismus in unserer Gesellschaft leider längst einer ich-zentrierten #mefirst Kultur Platz gemacht hat.

Ja, es gibt viele Geschichten von Solidarität. Ich selbst erlebe das gerade, indem mir Freunde und Nachbarn Essen vor die Türe stellen oder sonstige Hilfe anbieten. Man sieht also, dass man hier nicht komplett pauschalisieren darf.

Doch was sagen uns die Menschen, die sich mit den berühmten Hamsterkäufen nur mehr um sich selbst drehen? Mitbürger, die andere gefährden, indem sie leichtsinnig mit Corona-Symptomen unter viele Menschen gehen? Schutzmasken und Desinfektionsmittel, die massenweise aus Krankenhäusern geklaut werden?

Und je prekärer die Situation werden wird, desto mehr wird sich zeigen, wie sehr wir noch an den anderen denken und wie sehr wir bereit sind, Rücksicht auf das Große Ganze zu nehmen und uns selbst dabei zurückzunehmen. Wenn wir diese Situation meistern wollen, dann müssen wir das gemeinsam tun.


Wir brauchen mehr HALT. 

Corona zeigt uns einmal mehr, wie unsicher unsere Welt ist. 

„Sichere Erkenntnisse von gestern, sind heute schon Geschichte. Worauf sich nun verlassen?“ schreibt mein „Quarantäne-Kollege“ Lothar Krauss auf seinem Blog. Und: „Krass, wie viel Vertrauen, Glauben auch in der Wissenschaft nötig ist.“ Denn täglich ändern sich die Erkenntnisse über das neue Virus, täglich bekommen wir neue Informationen zu Inkubationszeiten, Sterblichkeitsrate & Co. 

Gleichzeitig können wir uns auch nicht (mehr) auf gewohnte Strukturen umfänglich verlassen. Denn wie meine eigenen Erfahrung gerade gezeigt hat, ist das Krasse an so einem Virus, dass es jederzeit auch die Führungsetage treffen kann. 

Bei den unter Quarantäne gestellten Personen handelte es sich nämlich neben den Redner auch um praktisch alle leitenden Verantwortlichen des Kongresses. Da kann man die schönsten Krisenkommunikationspläne zu einem guten Teil erst mal kübeln… Und das kann natürlich auch jede andere Organisation oder sogar Regierungen treffen.

Wir leben in einer Zeit, in der Institutionen zerbröseln, in der sich Rollenbilder auflösen und alles im Fluss zu sein scheint. Das ist in vielerlei Hinsicht positiv, doch bedeutet es auch einen Verlust an Orientierung, Sicherheit und Halt. Wir Menschen brauchen Vorbilder, die Halt geben. Starke Familien. Führungspersönlichkeiten mit Charakter. Gerade in einer Zeit, in der Krisen praktisch zum Alltag gehören. Ich für meinen Teil bin dankbar, dass ich meinen ultimativen Halt in einem allmächtigen, sich niemals änderndem und vor allem liebenden Gott finde. Nicht nur als nette „Krücke“, sondern als stabile Lebensgrundlage. Diese Sehnsucht erlebe ich bei vielen Menschen und ich glaube, sie kommt nicht von irgendwoher. 

Gelassenheit & Gnade. Wir. Halt. 

Gelassenheit & Gnade. Wir. Halt. Diese Dinge brauchen wir Menschen. Nicht nur in der aktuellen Situation. Vielleicht ist Corona eine Chance, dass wir das ganz neu entdecken. 

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